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giebelphantasien

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Norbert Martins
Giebelphantasien
Berliner Wandbilder
HetStein
Über 240 Wandbilder zieren Wände und Giebel der Stadt Berlin. Sie alle laden Berliner und ihre Besucher ein – zum Träumen, Nachdenken, zum Schmunzeln oder Protest. Denn die Palette der Themen, die in Wandbildern künstlerisch verarbeitet werden, ist breit gefächert. Sie reicht vom politischen Bild bis hin zum Illusionstischen oder rein Dekorativen. Entsprechend ist die Redaktion der Betrachter. Wandbilder sind öffentlich wie kaum eine andere Form der bildlichen Kunst: Niemand kann sich der Betrachtung dieser Wandgemälde entziehen. Wandbilder sind aber auch Kunstwerke auf Zeit. Welchem künstlerischen Qualitätsanspruch sie auch immer genügen mögen, einen Schutz genießen sie dennoch nicht. Auch wenn sie Zeitdokumente von großem Wert sind, können sie bei Renovierungsarbeiten zerstört und durch Schließung von Baulücken beseitigt werden. Zudem machen Umweltbedingungen den Kunstwerken in hohem Maße zu schaffen. Es ist deshalb das Verdient des Fotografen Norbert Martins und des vorliegenden Buches, diese Kunstwerke auf Zeit zu dokumentieren und damit für die Nachwelt – wenigstens im Foto – zu erhalten. Denn schon in diesem Augenblick können einige von ihnen, während das Auge des Lesers sich am Anblick ihres Fotos in diesem Buch noch erfreut, nicht mehr sein.
C 1989 by HetStein Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten, Texte: Norbert Martins und Dr. Uwe Lemm, Lektorat: Dr. Uwe Lemm, Gestaltung und Layout: Carl-Peter Steinmann und Hubert Richter, Satz: Typographische Werkstatt Volprecht, Berlin, Reproduktion: GEPRO GmbH, Berlin, Druckerei/Buchbinderei: Passavia GmbH, Passau, Printed in Germany 1989, CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Giebelphantasien Berliner Wandbilder Norbert Martins, 1. Auflage-Berlin: HetStein 1989, ISBN 3-926976-07-1
Wandbilder gibt es in Deutschland seit Beginn der 70er Jahre. 1975 begann mit Ben Wargins, Weltbaum – Grün ist Leben‘ die Wandmalerei in Berlin. Seither sind mehr als 240 solcher Kunstwerke in dieser Stadt entstanden, einige davon allerdings bereits auch wieder verschwunden. Denn ihre Lebensdauer ist kurz, durchschnittlich nur 10 Jahre. Diese Kunstwerke auf Zeit für die Nachwelt im Bild festgehalten zu haben, ist das Verdienst Norbert Martins, der mit seiner Kamera auch die entlegensten Giebelbilder aufgespürt hat.
Auf der Fassade spiegelt sich die gegenüberliegende Stadtlandschaft (1982). Schon heute kann der Betrachter die Veränderungen feststellen. Die Dunkeln Wolken am Himmel symbolisieren das Neue und Ungewisse, das auf diesen Stadtteil zukommen wird. (Andreas Dornbusch). Um den Entwurf auf die Wand zu übertragen, bediente man sich eines Hilfsmittels: Das Motiv wurde auf eine Glasplatte gezeichnet. Durch ein Loch in der hinter der Glasplatte befindlichen Latte wurden die Konturen anvisiert, und mit Hilfe eines Sprechfunkgerätes erhielten die Maler auf dem Gerüst ihre Anweisungen.
Foto: Wilhelmstraße 9 (Kreuzberg), Tommy-Weisbecker-Haus (Haus der jugendlichen Trebegänger), Auftraggeber: Sozialpädagogische Sondermaßnahmen Berlin e.V., Frontansicht, Entwurf: Andreas Dornbusch (1982), Künstlerische Beratung: Werner Brunner, Ausführung: Andreas Dornbusch, Stephan Adam, Karin Schlensog, Arno Dreisler, Regina Jakabchik
„Mit diesen Fassaden wollten wir einen Bezug zum Stadtteil schaffen,“ beschreibt Andreas Dornbusch die Motiv-Auswahl. „Durch das starke Bürgerbegehren für ein Parkgelände um das Gebäude herum konzentrierten wir uns auf eine in die Parkanlage integrierte Gestaltung der Wände. Die Fassaden sollten nicht die große Auffälligkeit eines markanten Architekturbildes bekommen. Sie zeigen vielmehr dem Märchenbuch entsprungene Brücken, auf denen der Hochadel flanierte oder zu territoriumserweiternden Zwecken einmarschierte. Ruinen als Ergebnis gefallener Kulturen. Das Baby am abrupten Ende der Brücke symbolisiert den Selbstmord einer jeden Epoche. Der übergroße Regenwurm stellt das Bindeglied zwischen Mensch und Natur dar. Der Mensch bedient sich der Erde, doch diese Stirbt ohne den Wurm, auf dem der Brückenpfeiler steht. Die drei Hexen wurden durch die Aktualität der Ereignisse vom Wandbild des ‚KuKuCK‘ (Seite 82) übernommen. Während der Arbeit an der Fassade wurde das ‚KuKuCK‘ von der Polizei geräumt, und es war abzusehen, dass die dortige Wandmalerei entfernt würde.“
Fotos: Andreas Dornbusch beim Übertragen des Entwurfes. Die Ostfassaden, Entwurf: Andreas Dornbusch, Stephan Adam (1984), Ausführung: Andreas Dornbusch, Stephan Adam, Charles Antioniazzi
„In Berlin liefen seit 1985 die Diskussionen um das Kabelpilotprojekt. Nun kommt er doch, der Fernsehzirkus aus den USA. 20 Programme und mehr strahlen auf uns ein. Die Befürworter meinen, dass der Bürger mündig genug wäre, um selbst zu entscheiden, was er sehen will, und dass durch ein großes Angebot mehr Meinungsvielfalt hergestellt wird, die unsere Demokratie bereichern würde. Aber wissen es besser, da doch nur die finanzstarken Kräfte die Programmgestaltung bestimmen werden. Meinungsvielfalt?! Wir wollen mit unserem Turmbau zu ‚Kabylon‘ zum Ausdruck bringen, welches Ausmaß und soziale Folgen ein solches Überangebot bringt.“ (Andreas Dornbusch)
Fotos: Nordfassade, Entwurf und Ausführung: Stephan Adam, Arno Dreisler, Karin Schlensog, Andreas Dornbusch (1985), Andreas Dornbusch, Stphan Adam, Karin Schlensog (v.l.n.r.)
„Mit dieser Wandbemalung sollte eine Aufforderung an die Natur gestellt werden. Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl, der Flugschaukatastrophe und den vielen Umweltskandalen, die durch Menschenhand herbeigeführt wurden, sollte sich die Natur endlich wehren und den Menschen Einhalt gebieten. Darum die Forderung an die Natur: Schieb den ganzen Moloch einfach weg.“ (Andreas Dornbusch)
Foto: Südfassade, Entwurf: Dany Schott, Kirsten Kreft, Alexandra Wittkötter, Charles Antioniazzi, Sophia Arabatzi, Andreas Dornbusch (1988/89), Ausführung: Andreas Dornbusch



veröffentlicht durch:
T ommy W eisbecker H aus
projektarchiv, ssb e.v.
mit hilfe von: chrysantemum

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